Eine einzige juristische Sekunde kann gravierende steuerliche Konsequenzen nach sich ziehen: Eine GmbH-Anteilseignerin hatte nur kurzzeitig einen 25,58%igen Anteil an einer Kapitalgesellschaft gehalten, der mit demselben Vertragswerk (durch eine Kapitalerhöhung) sofort wieder auf 25 % herabgesetzt wurde. Hintergrund war eine mehrstufige familieninterne Umstrukturierung des Beteiligungsbesitzes, die beim Notar noch am selben Tag abgewickelt wurde.
Als die Anteile einige Jahre später verkauft wurden, traten die steuerlichen Probleme zutage. Denn Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen werden besteuert, wenn der Veräußerer eine gewisse Anteilsgrenze überschritten hat. Im Streitjahr 1997 lag diese Grenze noch bei 25 % (heute: 1 %). Das Finanzamt war der Ansicht, dass die Frau kurzzeitig mehr als 25 % der Anteile gehalten habe und ihren erzielten Veräußerungsgewinn daher versteuern müsse.
Der Bundesfinanzhof orientierte sich aber am wirtschaftlich Gewollten und nicht nur an den formalen Gesichtspunkten der Umstrukturierung. Die Richter urteilten, dass die kurzfristige Überschreitung der Anteilsgrenze keine Rolle spielt, da die Frau mit ihrer 25,58%igen Beteiligung keine Rechte ausüben konnte. Faktisch wurde ihre Beteiligung im Gesamtkonzept der Umstrukturierung sofort wieder auf 25 % herabgesetzt. Sie hatte die maßgebliche Beteiligungsschwelle also zu keiner Zeit überschritten, so dass ihr später erzielter Veräußerungsgewinn nicht besteuert werden durfte. |