Ärztliche Heilbehandlungsleistungen sind unter gewissen Voraussetzungen von der Umsatzsteuer befreit. Wann diese Befreiung zu gewähren ist, hat der Bundesfinanzhof (BFH) in dem Fall einer Fachklinik für plastisch chirurgische Eingriffe geprüft. Die Klinikbetreiberin hatte durch approbierte Ärzte Fettabsaugungen, Gesichts-, Hals- und Augenlidstraffungen sowie Brustvergrößerungen und -verkleinerungen durchführen lassen. Sämtliche Leistungen hatte sie als umsatzsteuerfrei angesehen. Nachdem das Finanzamt ihre Umsätze der Steuer unterworfen hatte, zog die Betreiberin vor das Finanzgericht (FG) - zunächst allerdings ohne Erfolg.
Das Gericht erklärte, die Steuerfreiheit setze voraus, dass bei den Patienten eine Gesundheitsstörung diagnostiziert wurde; die Betreiberin trage für jeden einzelnen Umsatz die Beweislast. Laut FG konnte die medizinische Indikation nicht durch die Begutachtung von anonymisierten Patientenunterlagen nachgewiesen werden. Die Betreiberin hatte keine entsprechenden Einverständniserklärungen der betroffenen Patienten vorgelegt, so dass das FG eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht für möglich hielt und die Steuerfreiheit verwehrte. Der BFH hob das Urteil jedoch auf und erklärte, eine Sachverhaltsaufklärung könne durchaus auf Grundlage von anonymisierten Patientenunterlagen erfolgen.
Zunächst sind ästhetische Operationen und Behandlungen nur dann als Heilbehandlung steuerfrei, wenn sie dazu dienen, Personen zu behandeln oder zu heilen, bei denen aufgrund einer Krankheit, Verletzung oder eines angeborenen körperlichen Mangels ein ästhetischer Eingriff erforderlich ist. Um das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient zu schützen, ist bei der Überprüfung der Umsatzsteuerfreiheit von Heilbehandlungsleistungen erforderlich, das sogenannte Regelbeweismaß auf eine „größtmögliche Wahrscheinlichkeit“ zu reduzieren. Der BFH wies das FG darauf hin, dass eine Beweiserhebung über ästhetische Operationen als Heilbehandlung nicht davon abhängig gemacht werden darf, dass Name und Anschrift des behandelten Patienten genannt werden. Stattdessen muss auf der Grundlage von anonymisierten Patientenunterlagen ein Sachverständigengutachten über die Zielsetzung eingeholt werden, die mit der jeweiligen Operation verfolgt wurde. Der BFH hob jedoch hervor, dass auch Klinik bzw. Ärzte eine Mitwirkungspflicht trifft. Sie müssen auf anonymisierter Grundlage detaillierte Angaben zu den therapeutischen oder prophylaktischen Zielsetzungen machen, die mit dem jeweiligen Behandlungsfall verfolgt wurden.
Hinweis: In einem zweiten Rechtsgang muss das FG die bislang unterbliebene Beweiserhebung nachholen. Am Ende könnte der Klinikbetreiberin eine (teilweise) Umsatzsteuerfreiheit somit auch ohne Namensnennung der Patienten zuteilwerden. |