Gerät ein Unternehmen in finanzielle Nöte, beteiligen sich dessen Gläubiger häufig mit einem Forderungsverzicht an der Rettung. Die regulären steuerlichen Folgen dieser Maßnahme würden die Sanierungsbemühungen allerdings schnell untergraben: Beim notleidenden Unternehmen entsteht durch den Schuldenerlass ein Gewinn (Erhöhung des Betriebsvermögens), der grundsätzlich der Besteuerung unterliegt. Damit ein Steuerzugriff die Sanierung nicht belastet oder zunichtemacht, dürfen diese Gewinne nach dem Sanierungserlass des Bundesfinanzministeriums (BMF) in bestimmten Fällen aus sachlichen Billigkeitsgründen unbesteuert bleiben. In einer vielbeachteten Grundsatzentscheidung hatte der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) den Sanierungserlass im Jahr 2016 als unrechtmäßig eingestuft (vgl. Ausgabe 05/17). Er verwies damals darauf, dass der Gesetzgeber die gesetzlich verankerte Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne bereits im Jahr 1997 abgeschafft hat. Die Finanzverwaltung war seiner Ansicht nach nicht dazu berechtigt, diese Gewinne fortan aufgrund einer eigenen Entscheidung von der Besteuerung auszunehmen. In diesem „Alleingang“ sahen die Richter einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Indem das BMF typisierende Regelungen für einen Steuererlass geschaffen hatte, hatte es laut BFH eine strukturelle Gesetzeskorrektur vorgenommen. Damit hatte das BMF das sowohl verfassungsrechtlich als auch einfachrechtlich normierte Legalitätsprinzip verletzt. Nach dem Richterspruch hatte das BMF die Finanzämter im April 2017 angewiesen, den Sanierungserlass in Altfällen gleichwohl noch anzuwenden. Als Altfall wurden Fälle definiert, in denen die Gläubiger bis einschließlich 08.02.2017 (Tag der Veröffentlichung der BFH-Grundsatzentscheidung) endgültig auf ihre Forderungen verzichtet hatten. In einem neuen Urteil hat der BFH auch dieser Anwendung auf Altfälle eine klare Absage erteilt. Nach Meinung des Gerichts verstößt die Anordnung des BMF zu Altfällen in gleicher Weise gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung wie der Sanierungserlass selbst. Hinweis: Inzwischen wurden im Einkommen- und im Gewerbesteuergesetz antragsgebundene Steuerbefreiungen für Sanierungsgewinne geschaffen, die jedoch nicht auf Altfälle anwendbar sind. |