Die Bewertung von Arztpraxen erfolgte insbesondere seit der sogenannten „Ärztekammermethode“ aus dem Jahr 1987 auf umsatzbasierten Multiplikatoren, die gewissen Anpassungen unterlagen. Schon seit Anfang der 1990er Jahre hat sich Widerstand gegen diese Praxis geregt und es wurden - abgeleitet aus der betriebswirtschaftlichen Bewertungspraxis - plausibel nachprüfbare Bewertungskriterien gefordert. Hierbei handelt es sich eindeutig um Methoden, die auf dem Ertragswert der Arztpraxis basieren.
Erfreulicherweise haben die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) in den letzten Jahren reagiert und Ende 2008 „Hinweise zur Bewertung von Arztpraxen“ her¬ausgegeben, die nun auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren. In Kürze wird im Deutschen Ärzteverlag ein Buch über die Bewertung von Arztpraxen erscheinen.
Nach den neuesten, nun auch offiziell abgesegneten Erkenntnissen erfolgt die Bewertung einer Arztpraxis nicht mehr auf der Basis von Umsatzmultiplen, was ohne jegliche Aussagekraft ist, sondern auf der Basis zukünftiger Erträge. Zunächst werden dabei die Vergangenheitserträge um außerordentliche Positionen bereinigt und in einem weiteren Schritt ausführlich und umfangreich überprüft, inwieweit die so ermittelten betriebswirtschaftlich bereinigten Erträge auch nachhaltig erzielbar sind. Dies erfordert von den Gutachtern große Erfahrung in diesem Segment. Anschließend wird von dem nachhaltigen Zukunftsertrag ein Arztlohn in bestimmten Größenordnungen in Abzug gebracht.
Im Gegensatz zur Firmenbewertung, bei der man davon ausgeht, dass die Erträge unabhängig vom Anteilseigner über viele Jahre nachhaltig erzielbar sind, kann man bei einer Arztpraxis, aufgrund der starken Personenbezogenheit, die Erträge nicht auf einen unendlichen Zeitpunkt hochrechnen und abzinsen. Die Frage ist, über welchen Zeitraum die so ermittelten nachhaltigen Erträge bei der Bewertung Berücksichtigung finden sollen. Hier hat man sich weitestgehend auf einen Zeitraum von 2-5 Jahren geeinigt. Dieses in aller Kürze dargestellte Verfahren entspricht dem neuesten Stand der Betriebswirtschaftslehre. Man kann es als für Arztpraxen modifiziertes Ertragswertverfahren bezeichnen.
Beispiel: Praxiswertermittlung bei einem Umsatz von rd. 250.000 €:
Bereinigter Ertrag 120.000 €
Kalkulatorischer Arztlohn ./. 70.000 €
50.000 €
Multiplikator x 1,83
Ideeller Wert = 91.500 €
Hinzugerechnet wird noch der gesondert ermittelte Substanzwert der Praxis (z.B. 25.000 €). Der Gesamtwert der Praxis beläuft sich somit auf:
Ideeller Wert 91.500 €
Substanzwert 25.000 €
Gesamtwert 116.500 €
Seit dem 01.01.2009 wurde im Rahmen des neuen Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes das vereinfachte Ertragswertverfahren vom Gesetzgeber eingeführt (sogenannte Steuermethode). In allen Fällen wird angeraten, ein gesondertes Gutachten für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke von Fachleuten erstellen zu lassen, da üblicherweise nach dem im Gesetz vorgesehenen Verfahren utopische Werte ermittelt werden. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich zugelassen, dass bei extremen Abweichungen ein gesondertes Gutachten von Fachleuten erstellt werden kann.
Hinweis: Man hat sich also vom Umsatzverfahren zugunsten des modifizierten Ertragswertverfahrens verabschiedet, das nun auch offiziell Eingang in die Bewertung von Arztpraxen gefunden hat. Von anderen Verfahren, die heute teilweise auch noch von Praktikern angewandt werden, sollte abgesehen werden. |