Wenn Freiberufler ihre Praxis veräußern, können sie den dabei entstehenden Veräußerungsgewinn mit einem ermäßigten Steuersatz versteuern. Wer das 55. Lebensjahr vollendet hat oder dauernd berufsunfähig ist, kann zudem einen Freibetrag von bis zu 45.000 € in Abzug bringen. Das Finanzministerium Sachsen-Anhalt (FinMin) hat dargelegt, wann eine fortgeführte Berufstätigkeit des Praxisverkäufers die Steuerbegünstigungen weiterhin zulässt. Danach gelten folgende Voraussetzungen für eine steuerbegünstigte Praxisveräußerung: Die für die Berufsausübung wesentlichen wirtschaftlichen Betriebsgrundlagen (vor allem der Mandanten-/Patientenstamm und der Praxiswert) müssen entgeltlich auf einen anderen übertragen werden. Der Verkäufer muss die freiberufliche Tätigkeit zudem wenigstens für eine gewisse Zeit einstellen. Hinweis: Dieses Erfordernis hat der Bundesfinanzhof (BFH) entwickelt, da die Überleitung des Mandanten-/Patientenvertrauens das wesentliche Merkmal einer entgeltlichen Übertragung einer Freiberuflerpraxis ist. Der Praxisveräußerer darf nach dem Verkauf noch frühere Mandanten auf Rechnung und im Namen des Erwerbers beraten oder eine Arbeitnehmertätigkeit in der Praxis des Erwerbers ausüben. Die Steuerbegünstigung der Veräußerung ist jedoch gefährdet, wenn der Veräußerer weiterhin die persönliche Beziehung zu früheren Mandanten/Patienten nutzt, indem er · entweder einzelne Mandanten auf eigene Rechnung weiterhin betreut oder · Beziehungen zu früheren Mandanten nutzt, um eigene neue Mandate zu generieren. In beiden Fällen kämen sich Verkäufer und Erwerber „in die Quere“, denn beide würden dann das durch Mandanten und Praxisnamen bedingte Wirkungsfeld für ihre eigene freiberufliche Tätigkeit nutzen. Der Verkäufer muss gleichwohl nicht um die Steuerbegünstigung seiner Veräußerung fürchten, wenn er seine freiberufliche Tätigkeit nur in einem geringen Umfang fortführt. Das heißt, die hierauf entfallenden Umsätze dürfen in den letzten drei Jahren vor der Praxisveräußerung weniger als 10 % der gesamten Praxiseinnahmen ausgemacht haben. Die Finanzämter hatten bisher den Standpunkt vertreten, dass die Hinzugewinnung neuer Mandanten/Patienten durch den Veräußerer auch ohne Überschreiten der 10-%-Grenze in jedem Fall begünstigungsschädlich ist. Grundlage hierfür war eine Anweisung des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2003. Das FinMin weist nun darauf hin, dass die Landesfinanzverwaltungen der Bundesländer aufgrund eines (nichtveröffentlichten) Beschlusses des BFH aus dem Jahr 2020 mittlerweile folgende Auffassung vertreten: Die Steuerbegünstigungen für eine Veräußerung bleiben selbst dann erhalten, wenn der Verkäufer im Rahmen seiner geringfügigen Tätigkeit auch neue Mandanten bzw. Patienten betreut. |